Hast du schon deine Wahlbenachrichtigung für die EU-Wahl erhalten? Oder gehörst du zu denjenigen, die vielleicht gar nicht wählen dürfen? Ich habe das Privileg, dieses Jahr meine Stimme per Brief abzugeben. Deswegen habe ich gestern schon den Stimmzettel studiert und den Wahl-O-Maten befragt. Aber ehrlich gesagt bin ich mir noch nicht sicher, wo ich mein Kreuz setzen werde.
In der 11. Klasse fuhr ich mit meinem Politikwissenschaft-Leistungskurs nach Brüssel. Wir besuchten das Europäische Parlament, die Kommission und auch das Büro der Deutschen Welle. Neben glattgebügelten Politiker*innen und gehetzten Journalist*innen begegneten wir damals auf der Straße auch vielen Aktivist*innen. Bereits 2014 protestierten in Brüssel eine Menge Menschen für offene Grenzen und eine humane Asylpolitik.
Wenn ich mir die vergangenen zehn Jahre anschaue, scheint sich die EU immer weiter davon zu entfernen. Rechte Parteien haben sich etabliert und holen Mehrheiten ein, zivile Seenotrettung wird kriminalisiert und Asylsuchende noch vor den Grenzen Europas abgefangen. Die GEAS-Reform, die vergangene Woche final vom Europäischen Parlament angenommen wurde, besiegelt die restriktive Asylpolitik der EU.
Kein Wunder, dass sich selbst bei mir als politisch interessierter Mensch eine gewisse Müdigkeit und Desillusion gegenüber den Wahlen eingeschlichen hat. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass es gerade deswegen so wichtig ist, zu wählen. Denn immerhin habe ich überhaupt die Möglichkeit – anders als zum Beispiel unser Chefredakteur Hussam. Obwohl EU-Regularien zu Migration und Asyl sie überproportional betreffen, dürfen 6,3 Millionen sogenannte „Drittstaatler*innen“ im Wahlalter ab 16 in Deutschland nicht mit abstimmen.
Doch dieses Mal kommt eine neue Komponente dazu: Zum ersten Mal dürfen Jugendliche ab 16 Jahren wählen. Und laut Mediendienst Integration haben mehr als 45 % der minderjährigen deutschen Wahlberechtigten eine Migrationsgeschichte. Auch durch die Veränderung des Staatsbürgerrechts können mehr Menschen mit Migrationsgeschichte an den Wahlen teilnehmen. Wird sich das in den Ergebnissen zeigen?
Umfragen zufolge sind gerade junge Menschen noch unschlüssig, wen und ob sie wählen wollen. Und auch viele neue Deutsche fragen sich, welche Partei eigentlich ihre Interessen vertritt. Das zeigt, dass Parteien es bisher nicht schaffen, eine zugängliche und zielgruppenorientierte Ansprache anzubieten. Und dass politische Bildungsangebote für (junge) migrantische Menschen fehlen.
Bis zur Wahl am 9. Juni bleibt noch Zeit, mit Menschen über die Wahl zu sprechen, sich zu informieren und gute und zugängliche Infos zu teilen. Hier findest du zum Beispiel eine gute Übersicht der tagesschau zu den migrationspolitischen Positionen der einzelnen Parteien.
Hast du noch weitere Ideen? Melde dich gern bei mir.