Im Herzen eine Afghanin, deutsch auf dem Papier

"Im Herzen, Identität und in den Wurzeln immer eine Afghanin und gleichzeitig Deutsche zu sein, war nicht so einfach, zumindest für mich." Was bedeutet der Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft für unsere afghanische Autorin?

Für mich bedeutet der Erhalt der Staatsbürgerschaft und des deutschen Passes nicht nur, dass ich ein Ausweisdokument bekomme, sondern auch, dass ich Bürgerin dieses Landes bin. Ich habe alle Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten wie jede*r andere Deutsche in dieser Gesellschaft. An dem Tag, an dem ich meine Staatsbürgerschaft erhielt, versprach ich mir, mein Bestes zu tun, um alle Pflichten und Verantwortlichkeiten einer positiven Bürgerin in diesem Land zu erfüllen.

Afghanin im Herzen

In meinem Herzen werde ich immer Afghanin bleiben. Deutschland hat mir viel gegeben. Vor allem die Freiheit, mein Leben als Mensch zu leben, ohne auf das Geschlecht Rücksicht zu nehmen. Was ich vor allem tun kann, ist, dass ich wählen und in der Politik aktiv sein kann. Nun kann ich ohne Visum in zahlreiche Länder reisen.

Das war für mich schwierig, weil ich damals nicht mit meinem Pass außerhalb der EU reisen konnte und es nicht einfach war, ggf. ein Visum zu bekommen. Ich hatte meine Familie seit vielen Jahren nicht mehr besucht. Das konnte es nicht verkraften, denn für mich persönlich spielt die Familie eine wichtige Rolle im Leben. Und nachdem ich meinen Reisepass bekommen hatte, war meine erste Reise zu meiner Familie.

Ankunft in Deutschland

Ende 2014 bin ich nach Deutschland gekommen, weil ich Probleme wegen meiner politischen und journalistischen Tätigkeit hatte. Ich bin über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland und die Balkanländer nach Deutschland gekommen. Ich habe sehr darum gekämpft, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, es war kein einfacher Weg, die Bürokratie zu überwinden. Der Kampf ist für jeden anders und der Weg ist für jeden anders, aber für mich war es sehr hart.

2 1/2 Jahre bis zur unbefristeten Aufenthaltserlaubnis

Für mich bestand der Prozess darin, zuerst die unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten und dann die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Aber die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, war für mich gar nicht so einfach. Es dauerte zweieinhalb Jahre. Ich habe den Antrag im September 2020 gestellt und alle Unterlagen an die Ausländerbehörde geschickt. Nach 2 Monaten bekam ich einen Termin.

Doch als ich mit den geforderten Unterlagen erschien, bekam ich eine Ablehnung. Da mein Arbeitsvertrag damals für die kommenden 5 Monate galt und für eine Daueraufenthaltsgenehmigung der Arbeitsvertrag für die kommenden 6 Monate gelten muss, wurde ich abgelehnt. Mir wurde gesagt, sobald ich einen neuen Arbeitsvertrag mit einem neuen Arbeitgeber habe, kann ich wieder einen Antrag stellen.

Nachdem ich also eine neue Arbeit bei einem neuen Arbeitgeber hatte, habe ich erneut einen Antrag gestellt. Und es wurde nochmal abgelehnt, weil ich mich in einer Probezeit für die kommenden 6 Monate befand. Sobald die Probezeit vorbei war, habe ich nochmals einen Antrag gestellt. Es wurde zum dritten Mal abgelehnt, weil ich mindestens 18 Monate Gehaltsabrechnungen von meinem derzeitigen Arbeitgeber haben musste.

In den fast 18 oder 20 Monaten bei diesem Arbeitgeber ging es mir schlechter, denn die Arbeit war nicht gut und ich wurde schlechter bezahlt. Ich hatte keine andere Wahl, als bei diesem Arbeitgeber zu bleiben. Nach 18 bis 20 Monaten bei diesem Arbeitgeber und der Vorlage aller Dokumente erhielt ich schließlich die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung.

Ein glücklicher Tag?

Nachdem ich sie erhalten hatte, teilte ich dem Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit, dass ich eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis habe. Das BAMF antwortete mir innerhalb eines Tages, dass ich noch weitere Unterlagen schicken müsse, was ich auch tat. Nach einer Woche erhielt ich die Antwort mit einem Termin, um meine Einbürgerungsunterlagen abzuholen und einen Reisepass zu beantragen.

Ich war an diesem Tag sehr glücklich, ein Dokument zu erhalten und mich als Teil dieser Gesellschaft zu fühlen. Andererseits war mein Herz unglücklich, weil ich meine bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben musste. Ich vermisste mein Land an diesem Tag mehr denn je. Und ich bin mir sicher, dass dieses Gefühl immer bei mir bleiben wird.

Die Autorin schreibt eine monatliche Afghanistan-Kolumne bei uns, hier geht es zu den Ereignissen im Februar.

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Ellen Lindsey Awuku / Foto: Copyright Seth B. Ansong

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Sahar Reza
Sahar kommt aus Afghanistan und hat ihre Kindheit in Pakistan verbracht. Ihr Studium der  hat sie in Indien und Hamburg (Master Politik- und europäischen Rechtswissenschaft) absolviert. Sie hat im Management und im Journalismus gearbeitet. Seit langem setzt sie sich für Menschenrechte (besonders Frauen-, Kinder- und Flüchtlingsrechte) ein. Für kohero (früher Flüchtling-Magazin) ist sie seit 2017 aktiv. „Ich arbeite für das kohero-Magazin, weil das Magazin mir eine Stimme gibt und ich habe die Möglichkeit, über verschiedene Themen zu schreiben und kann in meinem Arbeitsbereich Journalismus in Deutschland weiterarbeiten und aktiv sein.“

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