Nach intensiven Gefechten ist es oppositionellen Rebellen gelungen, die Truppen des Assad-Regimes aus der strategisch wichtigen Stadt Hama zurückzudrängen. Doch Hama ist nicht nur militärisch bedeutsam – sie trägt auch eine schwere historische Last.
Die Wunden von 1982: Hama und das Massaker
Hama ist tief mit einem der dunkelsten Kapitel der syrischen Geschichte verbunden. In der Nacht zum 2. Februar 1982 startete die syrische Armee unter der Führung von Rifaat al-Assad einen groß angelegten Angriff auf die Stadt, um einen islamistischen Aufstand niederzuschlagen. Über mehrere Wochen hinweg kam es zu massiven Gewaltakten, die als eines der schwersten Massaker des Nahen Ostens im 20. Jahrhundert gelten. Schätzungen zufolge verloren zwischen 10.000 und 40.000 Menschen ihr Leben. Ein Großteil der Altstadt wurde zerstört; zahlreiche Menschen wurden willkürlich verhaftet und hingerichtet.
Der Weg zur Eskalation: Politische Spannungen vor dem Massaker
Seit der Unabhängigkeit Syriens im Jahr 1946 blieb das Land wirtschaftlich fragil und sozial gespalten. Unterschiedliche politische Strömungen, etwa die Muslimbruderschaft und die säkulare Baath-Partei, rangen um Einfluss. Nach dem Putsch von 1963 übernahm die Baath-Partei die Macht und etablierte ein autoritäres Regime.
Im Jahr 1970 gelangte Hafiz al-Assad, Angehöriger der alawitischen Minderheit, durch einen weiteren Putsch an die Spitze des Staates. Unter seiner Herrschaft wurden Schlüsselpositionen im Staatsapparat mit loyalen Alawiten besetzt, während politische Opposition konsequent unterdrückt wurde. In den späten 1970er Jahren verübten islamistische Gruppierungen mehrere Anschläge, darunter ein fehlgeschlagenes Attentat auf Hafiz al-Assad im Jahr 1980. Daraufhin verschärfte das Regime sein Vorgehen gegen die Muslimbruderschaft drastisch; allein die Mitgliedschaft wurde per Dekret mit der Todesstrafe bedroht.
Das Schweigen nach dem Sturm: Die Folgen des Massakers
Das Massaker von 1982 hinterließ tiefe Narben in der syrischen Gesellschaft. Jahrzehntelang wirkte es als schreckliches Exempel, das oppositionelle Bewegungen lähmte. Wirtschaftliche Probleme, Korruption und soziale Ungleichheiten blieben jedoch ungelöst. Das Thema Hama wurde zu einem gesellschaftlichen Tabu, das kaum öffentlich angesprochen wurde.
Vom Vater zum Sohn: Syrien unter Baschar al-Assad
Nach dem Tod Hafiz al-Assads im Jahr 2000 übernahm sein Sohn Baschar al-Assad die Macht. Anfangs keimten Hoffnungen auf Reformen, doch bald erstickte erneute Repression jede aufkeimende Kritik. Mit dem Arabischen Frühling 2010 erfasste eine Welle des Protests auch Syrien. Forderungen nach Bürgerrechten und demokratischen Reformen wurden mit Gewalt beantwortet, was den Konflikt eskalieren ließ. Der darauf folgende Bürgerkrieg forderte Hunderttausende Opfer und zwang Millionen in die Flucht.
Hama heute: Ein Symbol von Hoffnung und Tragödie
Der jüngste Rückzug der Assad-Truppen aus Hama verdeutlicht die anhaltende Dynamik und Symbolkraft des syrischen Konflikts. Für manche steht Hama für Widerstand und die Hoffnung auf Veränderung, für andere bleibt es eine schmerzhafte Mahnung an die Brutalität des Regimes. Die Geschichte dieser Stadt ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie fragile politische und soziale Strukturen in Gewalt, Leid und fortwährende Ungewissheit münden können.
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