Ich habe Angst, aus Deutschland abgeschoben zu werden. Was kann ich machen? Zunächst muss geprüft werden, ob überhaupt eine Ausreisepflicht besteht. In Deutschland erfolgt eine Abschiebung (zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht), wenn eine Person ausreisepflichtig ist. Die Voraussetzungen und der Ablauf einer Abschiebung sind im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Zuständig sind die Bundesländer, die jeweils zuständige Ausländerbehörde sowie die Polizei.
Jemand ist ausreisepflichtig, wenn:
- kein Aufenthaltstitel vorhanden ist.
- der Aufenthaltstitel erloschen ist (§ 51 AufenthG).
- der Asylantrag durch das BAMF abgelehnt wurde, weil er unzulässig ist, da ein anderer EU-Staat zuständig ist (Dublin Fall), oder unbegründet ist, wenn keine Asylgründe vorliegen. Dagegen ist innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht möglich. Die Klageinreichung allein verhindert nicht die Abschiebung, es muss zusätzlich ein Eilantrag an das Verwaltungsgericht gestellt werden (§ 34a AufenthG). Dieser Eilantrag kann damit begründet werden, dass der Betroffene reiseunfähig ist oder mit Familienangehörigen in Deutschland in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Möglich ist es auch, Gefährdungen im „Dublin-Staat“, wie die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU–Grundrechtecharta bzw. von Art. 3 EMRK, „systemische Schwachstellen“ des Asylverfahrens oder die Gefahr der Kettenabschiebung geltend zu machen. Die Überstellung in den anderen EU-Staat muss in einer Frist von 6 Monaten nach Zustimmung des Mitgliedstaates erfolgen. Bei Straf- oder Abschiebehaft beträgt die Frist 12 Monate, bei „Untertauchen“ 18 Monate (Art 29 Abs.2.S.2. Dublin III Verordnung).
50 % der ausreisepflichtigen Personen sind abgelehnte Asylbewerber*innen.
Bei der Ausweisung (§ 53ff AufenthG) wird das Aufenthaltsrecht entzogen und in der Regel ein Wiedereinreiseverbot erteilt. Dies ist ein Verwaltungsakt der Ausländerbehörde und richtet sich gegen Ausländer*innen, deren Aufenthalt in Deutschland die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Belange des Landes beeinträchtigt. Dies gilt bei rechtskräftiger Verurteilung bei bestimmten Straftatbeständen. Mit der Ausweisung erlischt der Aufenthaltstitel.
Wenn keine Abschiebungsverbote festgestellt werden, wird die betroffene Person zur freiwilligen Ausreise aufgefordert. Gleichzeitig wird im Falle der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung angedroht (34,35 AsylVfG). Die betroffene Person kann mit Klage und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dagegen angehen. Bei einem negativen rechtskräftigen Urteil kommt es zur Abschiebung, wenn die Frist zur Ausreise (ab Rechtskraft) abläuft. Ausländerbehörde und Polizei führen sie durch. Die Kosten trägt der Betroffene (Ausnahme ist eine Dublin Überstellungen), ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird angeordnet.
Ablauf einer Abschiebung
- Aufforderung vom BAMF, freiwillig auszureisen innerhalb einer Frist (kann auf Antrag verlängert werden)
- Die Ausländerbehörde stellt nach Fristablauf fest, dass die betroffene Person noch in Deutschland ist und trifft eine Abschiebungsanordnung, die Akten gehen an die Zentrale Abschiebestelle des Bundeslandes
- Organisatorisches wird erledigt (Flüge gebucht)
- Ausländerbehörde und Polizei werden über beabsichtigte Abschiebung informiert
- Durchführung durch Polizei meist frühmorgens ohne vorherige Mitteilung
- Stempel im Pass „abgeschoben“
- u.U. Abschiebehaft nach § 62 Abs.3 AufenthG
Abschiebungsverbote
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wird durch das BAMF festgestellt: 60 Abs.5,7 AufenthG.
Wortlaut eines BAMF Bescheids:
„1. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird abgelehnt.
3. Der Antrag auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter wird abgelehnt.
4. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes liegt hinsichtlich …….. (Afghanistan, Syrien, o.ä) vor.“
Die betroffene Person erhält zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für 1 Jahr.
Inlandbezogenes Abschiebungshindernis wird durch die Ausländerbehörde festgestellt: 60a AufenthG
„Es wird eine Duldung mit Aussetzung der Abschiebung erteilt.“ (Vollstreckungshemmnisse wie Passlosigkeit, fehlende Reisedokumente, mangelnde Transportmöglichkeiten, krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit oder fehlende Übernahmebereitschaft des Zielstaates bei Staatenlosen)
Was kann ich während einer laufenden Abschiebung machen?
Das ist sehr schwer und man sollte unbedingt einen kundigen Rechtsbeistand hinzuziehen! Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen, können z. B. sein: außergewöhnlich schwierige oder lebensbedrohliche Situation für abzuschiebende Person, Gefährdung im Zielstaat, schwere Erkrankung, lange Trennung der Familie durch Abschiebung.
Asylfolgeantrag, wenn neue Asylgründe vorliegen: Die Lage im Zielstaat hat sich verändert (z. B. Machtübernahme der Taliban in Afghanistan), eine Entscheidung des BAMF erfolgt in Minuten! Anträge haben keine aufschiebende Wirkung, daher auch Eilrechtsschutz beantragen. Bis der Betroffene den Transitbereich des Flughafens verlässt, ist noch Eilrechtsschutz gegen die laufende Abschiebung möglich.
Andere Möglichkeiten:
Härtefallantrag
Petition
Öffentlichkeit/Presse einbeziehen
Auf dieser Seite von „aktion Bleiberecht“ sind Flüge, die zukünftig Abschiebungen durchführen sowie Notfallnummern veröffentlicht.
An den Flughäfen Hamburg, Frankfurt, Berlin, Köln/Bonn, Düsseldorf und Halle/Leipzig gibt es Abschiebungsbeobachter*innen, die Transparenz in den Abschiebungsprozess bringen und Missstände aufdecken sollen.
Abschiebungen in Zahlen:
Im ersten Halbjahr 2024 wurden laut Mediendienst Integration 9.465 Personen aus Deutschland abgeschoben – rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum 2023. 3.043 Personen wurden im Rahmen der Dublin III Verordnung in ein anderes EU-Land überstellt. 2023 gab es 16.430 Abschiebungen und 5.053 Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung. Das sind rund 27 Prozent mehr Abschiebungen als 2022.
Nicht immer werden Asylbewerber*innen, für die ein anderer Mitgliedsstaat zuständig ist, überstellt. 2023 gab es rund 74.600 Übernahmeersuche an andere Mitgliedstaaten – davon wurden drei Viertel von den Erstaufnahme-Staaten angenommen. Überstellt wurden rund 5.000 Personen.
Im selben Zeitraum haben 4.095 Personen Deutschland über das Bund-Länder-Förderprogramm REAG/GARP freiwillig verlassen. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2024 rund 15.800 freiwillige Ausreisen von ausreisepflichtigen Personen mit einer „Grenzübertrittbescheinigung“ (10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum).
Zurückweisungen an den Grenzen (EuGH rechtswidrig!)
Im ersten Halbjahr 2024 hat die Bundespolizei etwa 17.000 Personen an den Grenzen zurückgewiesen. Etwa 1.400 Personen wurden zurückgeschoben. Im Gesamtjahr 2023 gab es 34.860 Zurückweisungen an den Grenzen. 4.776 Personen wurden zurückgeschoben.
Es ist deutlich zu sehen und auch politisch gewollt, dass Abschiebungen von Menschen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, zunehmen. Es gibt immer noch rechtsstaatliche Mittel auch dagegen vorzugehen, aber es ist schwierig.