„Kinder sind Menschen wie wir. Und Kinder sind mindestens so schlau wie wir“, sagt Sheeko Ismail (keine Pronomen) überzeugt. Sheeko gründete gemeinsam mit Maimuna Sallah (sie/ihr) im Mai 2022 die Schwarze Kinderbibliothek in Bremen. Davor hat Sheeko viel Aktivismus-Erfahrung gesammelt: Kuration des „Black Art Fashion Festival“, Gründung der Initiative „Zukunft ist bunt“, Herausgeber*in der Buchreihe „Look at Us! Gallerie der Schwarzen Vorbilder & Held*innen in Deutschland“. „Manchmal erinnere ich mich selbst gar nicht mehr daran, was ich alles gemacht habe“, erklärt Sheeko lachend.
„Wir arbeiten auf Vertrauensbasis“
Inspiriert zur SchwaKiBi wurde Sheeko 2021 während einer Bildungsreise in Frankreich. Seit Januar 2023 hat die Bibliothek ihre eigenen Räume im Bremer Viertel. Heute ist die Schwarze Kinderbibliothek nicht nur ein Ort zum (Vor)lesen, sondern auch für Workshops, Vernetzung und Lesungen. Die Bücher können vor Ort gelesen oder kostenlos ausgeliehen werden – „Wir arbeiten auf Vertrauensbasis“, erklärt Sheeko. Einen Ausweis braucht man nicht, nur ein Kontaktformular. So soll auch Menschen ohne Papiere ermöglicht werden, Bücher mit nach Hause zu nehmen. „Das funktioniert bisher auch super so“, sagt Sheeko lächelnd.
Und warum braucht es eine Schwarze Kinderbibliothek? „In einer weißen Mehrheitsgesellschaft war diese Notwendigkeit schon immer da und sie wird auch immer da sein“, betont Sheeko. Das zeigt sich auch an den Besucher*innen der SchwaKiBi: Es kommen überwiegend von Rassismus betroffene Kinder mit ihren Eltern, Kinder, die mehrsprachig aufwachsen oder weiße Eltern von Schwarzen Kindern. Am schönsten sei es, wenn Kinder sich in einem Buch wieder erkennen, erklärt Sheeko: „Die Kinder strahlen übers ganze Gesicht, wenn in einem Buch jemand so aussieht wie sie.“

„Kinder wissen, was Rassismus ist“
Die SchwaKiBi bietet neben Literatur auch Kinder-Workshops an: „Selfcare for Black & Indigenous Kids“, „Black Hair Action“ oder Lesungen – Veranstaltungen, die sonst eher für Erwachsene stattfinden. „Ich war anfangs auch nicht sicher, wie Kinder und Selfcare zusammenpassen“, erklärt Sheeko. Den Workshop führt eine Erzieherin durch, die mit den Kindern über Gefühle und Vorfahren spricht. Als sie fragt, ob sie das Wort Rassismus kennen, nicken alle Kinder. Doch keines der Kinder möchte darüber sprechen. Sheeko erinnert sich: „Da bin ich total emotional geworden. Kinder wissen, was Rassismus ist. Sie wissen auch, wie sich Othering anfühlt.“
Die Aufgabe der Kinderbibliothek werde manchmal falsch verstanden, erzählt Sheeko. „Wir machen keine Integration. Oft werden Begriffe wie Integration, Rassismus, Diversität und so weiter einfach in einen Topf geworfen. Dabei verdient jedes dieser Themen einzeln Aufmerksamkeit.“ Stattdessen wollen Sheeko und Maimuna Aufklärungsarbeit leisten, eine solidarische Gesellschaft mit kreieren und die Darstellung Schwarzer Menschen in Kinderbüchern dekolonisieren. Diese Veränderungen brauchen Geduld, sagt Sheeko: „Ich verlange nicht von Menschen, von heute auf morgen total woke und aufgeklärt zu sein. Sich seiner Privilegien bewusst zu werden, ist ja ein Lernprozess.“
Veränderungen auf dem Kinderbuchmarkt
Ein Lernprozess, den auch Sheeko selbst durchlaufen hat: Durch das Aufwachsen in einem afrikanischen Land musste Sheeko sich lange nicht mit dem eigenen Schwarz-Sein auseinandersetzen. Sheekos Umfeld als Kind und Sheekos Eltern sind bis heute inspirierend und empowerend. „Natürlich ist das auch ein Privileg von mir gegenüber BIPoCs, die in Europa aufgewachsen sind.“

Und langsam bewegt sich wirklich etwas auf dem Kinderbuchmarkt: zum Beispiel verlegt der gratitude Verlag aus Hamburg ausschließlich Kinder- und Jugendbücher mit BIPoC Held*innen. Auch die Bücher des zuckersüß Verlages in Berlin machen Schwarze oder queere Lebensrealitäten sichtbar. Die eigene Stimme hörbar zu machen, sei wichtig für BIPoCs, ob Kinder oder Erwachsene, erklärt Sheeko: „Denn wir haben einen Mund und können reden. Wir wissen, wie man spricht.“
Credit Beitragsbild: Nicole Benewaah