Kriege und politische Verfolgung sind nicht die einzigen Gründe, warum Menschen in Deutschland Zuflucht suchen. Laut LSVD ist Homosexualität in 69 Ländern strafbar und in 11 Ländern droht sogar die Todesstrafe. 13 Staaten verfolgen trans Menschen explizit, in mindestens 37 Staaten werden sie faktisch kriminalisiert.
Wenn queeren Menschen massive Gewalt, Tod, Haft oder unmenschliche Behandlung drohen, können sie in Deutschland Asyl beantragen. Die Rainbow Refugees Mainz engagieren sich seit Ende 2015 ehrenamtlich für queere Geflüchtete in Mainz und Umgebung, bieten einen Stammtisch und Sprachlerntreffs an, leisten Asylberatung und helfen bei den Problemen des täglichen Lebens. 2019 erhielten wir den Brückenpreis des Landes Rheinland-Pfalz. Die meisten, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, haben schwere, oft sexuelle Gewalt in ihren Heimatländern erfahren.
Unterkünfte sind keine sicheren Orte für queere Geflüchtete
Ende 2015 wurde bekannt, dass ein schwules syrisches Paar in einer Unterkunft Todesdrohungen erhielt und die Gemeinschaftsunterkunft verlassen musste. Es zeigte sich, dass für queere Geflüchtete die Unterkünfte keine sicheren Orte sind. Offen lebende queere Geflüchtete werden ausgegrenzt, bedroht und manchmal angegriffen. Oft kollaboriert die Security mit den Tätern. 20% der queeren Geflüchteten, die in Mainz unsere Hilfe suchen, wurden in Deutschland Opfer von physischer Gewalt durch andere Geflüchtete.
Bericht einer Frau aus Armenien
Triggerwarnung: psychische und sexualisierte Gewalt, Suizid
Ich musste aus meiner Heimat fliehen, da ich als Lesbe verfolgt wurde. In Deutschland habe ich mein Lesbischsein nie verheimlicht. In der Erstaufnahmeeinrichtung Kusel wurde ich deswegen von Landsleuten angespuckt und beleidigt. Als sich das in einer Unterkunft wiederholte, wandte ich mich an eine Sozialarbeiterin. Die sagte, wenn ich ein Einzelzimmer wolle, solle ich mich von einem Mann schwängern lassen. Sie wusste, dass ich lesbisch bin und mich Männer bedrängten. Ich bekam Depressionen und unternahm einen Selbstmordversuch.
In einer anderen Unterkunft in Mainz stellte mir ein Landsmann ständig nach und sagte, dass er mich „heilen“ könne, wenn wir nur „ordentlich Sex hätten“. In einer anderen Unterkunft sah mich ein Geflüchteter, als ich von einem CSD wiederkam. Auch er bedrängte mich und wollte Sex mit mir. Ich bat ihn, mich in Ruhe zu lassen, aber er rannte mir hinterher. Ich konnte gerade noch die Tür schließen. Er hämmerte 20 Minuten an der Tür. Unterkünfte waren für mich Orte der Angst. Tagsüber habe ich versucht, mich zu verstecken und nachts konnte ich nicht schlafen.
Ein queerer Geflüchteter aus Bahrein brachte es auf den Punkt: „Die Gemeinschaftsunterkunft ist die Miniaturversion meiner Heimat.“ Dies führt zu Retraumatisierung. Studien belegen, dass sich die psychische Situation von queeren Geflüchteten in Deutschland noch verschlechtert.
Derzeit sehen wir wenig Chancen für eine Verbesserung der Unterbringung queerer Geflüchteter in Flächenländern wie Rheinland-Pfalz. Aufgrund der steigenden Zahlen an Asylbegehrenden erfolgt die Unterbringung mehr und mehr fernab von Orten der queeren Community und ohne direkten Kontakt mit Sozialarbeiter:innen, die bei Problemen helfen können.
Diskriminierung im Asylprozess
Bei Asylanhörungen wurden queere Geflüchtete von Dolmetschern beschimpft und es wurde teilweise bewusst falsch übersetzt. Auch heute scheitern Asylverfahren, da queere Geflüchtete Behörden und Dolmetschern misstrauen, im Interview den Grund für ihre Verfolgung zuerst verschweigen und dann als unglaubwürdig gelten. Für das massenhafte Scheitern der Asylanträge waren bis vor einem Jahr die Verhaltensprognosen des BAMF verantwortlich: Wenn eine queere Person in der Heimat verfolgt wurde, aber in der Gemeinschaftsunterkunft nicht offen aus Furcht um das Leben lebt, wurde geschlossen, dass die Person auch in der Heimat „diskret“ leben könne, somit das Leben nicht in Gefahr sei und der Asylantrag wurde abgewiesen.
Unserer Erfahrung nach haben queere Geflüchtete erst durch Sonderanhörungen und die Abschaffung von Verhaltensprognosen eine echte Chance in Asylverfahren.
Zusammengefasst ist zu sagen, dass die Lebenssituation von queeren Geflüchteten sehr schwierig ist. Sie leiden an denselben Dingen wie alle anderen Geflüchteten auch: lange Asylverfahren, sprachliche Barrieren, Probleme im Umgang mit Behörden usw. Sie können in der Regel aber nicht auf die Hilfe von Landsleuten zurückgreifen. Im Gegenteil, sie berichten von Diskriminierung aufgrund ihrer geschlechtlichen und sexuellen Identität.
Damit möchte ich nicht sagen, dass alle Geflüchteten Vorbehalte gegenüber queeren Menschen haben, denn es gibt auch Gegenbeispiele. Aber dennoch ist zu befürchten, dass Menschen, die aus Ländern kommen, in denen queere Menschen durch Staat, Gesellschaft und Religion verfolgt werden, ihre Auffassung nicht einfach ändern werden. Im Gegenteil, sie sehen dies als eine „westliche Bedrohung“, vor der sie ihre Familien „schützen“ müssen.
Die Botschaft, dass es Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Glauben, Religion nicht toleriert wird, ist dringend notwendig – für Menschen, die in Deutschland geboren sind und auch diejenigen, die sich erst seit kurzer Zeit in diesem Land befinden.
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