Schon als Kind verstand Mehrnoush instinktiv, wie they sich in andere Menschen hineinversetzen konnte, um die eigenen Gefühle zu begreifen und Lösungen für Probleme zu finden. Diese Neigung, sich in andere einzufühlen und ihnen beizustehen, entwickelte sich während Mehrnoushs Jugend weiter, und dey strebte danach, einen positiven Einfluss auf das Leben anderer auszuüben.
Mehrnoush Kindheit war geprägt vom ständigen Umziehen, da der Vater beim Militär war. Dies bedeutete, dass they keine tiefen Freundschaften schließen konnte und nie in einer stabilen Gemeinschaft lebte. „Ich hatte nie Wurzeln im Iran“, sagt Mehrnoush. Dennoch fühle dey sich immer noch als Iraner*in.
Der Weg nach Kanada
Die politische Lage und die Ablehnung der Eltern und Familie, die Mehrnoush als lesbische Person nicht akzeptierten, führten dazu, dass they das Heimatland verließ und woanders Wurzeln suchte. Im Alter von 23 Jahren wanderte Mehrnoush nach Kanada aus und begann dort ein Studium im Master für Sprachwissenschaften. Nach der Auswanderung aus dem Iran waren Mehrnoushs Eltern nicht in deren Entscheidungen eingebunden.
Mehrnoush hatte nie geplant, Psycholog*in zu werden. Kunst war eine Leidenschaft von Mehrnoush, aber die Eltern waren nicht davon überzeugt und unterstützten they nicht auf diesem Weg. So studierte Mehrnoush Deutsch an der Universität Teheran. Doch trotz des Studienerfolgs spürte Mehrnoush, dass dey den wahren Lebensweg noch nicht gefunden hatte. Die Stimme im Inneren führte schließlich dazu, Psychologie zu studieren.
Mehrnoush hat sich bemüht, die eigene „Familie“ aus Menschen auszuwählen, mit denen they eine gute Verbindung hat. Es war nicht immer erfolgreich, aber Mehrnoush hat ihr Bestes gegeben. Selbst in Kanada ist dey oft umgezogen und konnte nirgendwo Wurzeln schlagen.
Nach 13 Jahren in Kanada musste Mehrnoush beruflich nach Berlin auswandern. In Deutschland kämpft they gegen das Gefühl der Entfremdung und die Diskrepanz zwischen der eigenen Kultur und der westlichen Gesellschaft. Dey sagt: „Ich wünsche mir einen Halt, eine Wurzel, ein Zugehörigkeitsgefühl“, das dey bis zum 38. Lebensjahr nicht erleben konnte.
Mehrnoush beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Traumata und setzt sich für soziale Gerechtigkeit und Frieden ein. They glaubt fest daran, dass die Bewältigung von Traumata die Welt verändern kann und dass Traumata einen großen Einfluss auf unsere psychische Gesundheit haben. Trotz gelegentlicher Verzweiflung und Depressionen hat Mehrnoush immer noch Hoffnung.
Beide Seiten des Gehirns
Dey sagt: „Die Motivation, die mich antreibt, sind die kleinen Erfolge, die ich sehe, wenn Menschen ihre Traumata überwinden und ein glücklicheres Leben führen. Ich sehe auch die Energie und Entschlossenheit junger Menschen, die für Gerechtigkeit und Freiheit kämpfen, insbesondere in Ländern wie dem Iran.“
Mehrnoush glaubt an die Bedeutung des emotionalen und des analytischen Gehirns und wie sie zusammenarbeiten, um in sicheren Räumen zur Ruhe und Kreativität zu gelangen. They denkt, dass Menschen die besten Ergebnisse erzielen, wenn sie beide Teile ihres Gehirns nutzen: „Wenn du beide Seiten deines Gehirns aktivierst, kannst du deine Kreativität und Empathie besser fördern.“
„In öffentlichen Diskussionen über Flucht und Migration fehlt oft die Betonung der psychischen Gesundheit und des Traumas, das viele dieser Menschen erlebt haben. Es ist wichtig, diese Aspekte stärker zu berücksichtigen.“ Durch die eigene Erfahrung der Flucht aus dem Iran kann Mehrnoush die emotionalen und sozialen Herausforderungen von Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, besser verstehen. Dies half they, Einfühlsamkeit für Geflüchtete und Migrant*innen zu entwickeln.
Queerness und Migration
Als queere Person mit Migrationshintergrund hat Mehrnoush selbst Diskriminierung und Vorurteile erlebt. Diese Erfahrungen haben die Sensibilität und das Verständnis für die Herausforderungen, vor denen queere Migrant*innen stehen, vertieft und they dazu motiviert, in diesem Bereich tätig zu werden.
„Es ist wichtig, die positiven Auswirkungen der Migration in den Aufnahmeländern anzuerkennen. Migration kann kulturellen Austausch, wirtschaftlichen Beitrag und soziale Vielfalt fördern. Viele Migrant*innen bringen wertvolle Fähigkeiten und Qualifikationen mit sich. Das Thema sollte in der öffentlichen Diskussion ausgewogen betrachtet werden, und nicht nur die negativen Aspekte sollten im Fokus stehen“, sagt Mehrnoush. Zuletzt wünscht dey sich Freiheit und Verständnis, nicht nur für Gleichgesinnte, sondern auch für Nicht-Gleichgesinnte, denn nur so kann Frieden herrschen.
*Dey/they sind Pronomen, die u.a. von nicht-binären Menschen genutzt werden.
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Bildquellen
- Mehrnoush Ahmadi: privat