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Krieg in Israel und Palästina: Gedanken zum deutschen Diskurs

In dieser Zeit kursieren in den sozialen Medien und Nachrichten Videos und Bilder von Getöteten in Israel und Palästina. Aber auch Fake News, Hasskommentare, Rassismus und Antisemitismus tauchen auf, ebenso wie Aufrufe im Fernsehen, die Hamas zu vernichten. Welche Auswirkungen hat das – auch in Deutschland?

Fotograf*in: nourtayeh/unsplash.com/de

Aber was versteht man im deutschen Diskurs unter „Hamas“? Seit Beginn des jüngsten Kriegs am 7. Oktober hat sich die Lage auch in Deutschland zugespitzt. Einige Solidaritätsdemonstrationen für Palästinenser*innen wurden verboten und einige Pro-Palästina-Aktivist*innen festgenommen. Denn sie haben den Angriff gefeiert. Das gilt als Antisemitismus und sowas muss bestraft werden. Mit solchen antisemitischen Äußerungen werden Palästinenser*innen keine Solidarität gewinnen.

Gleichzeitig zeigen die deutschen Behörden ihre uneingeschränkte Solidarität mit Israel, unabhängig von den Maßnahmen, die die israelische Armee als Reaktion auf die Hamas-Angriffe in Gaza unternimmt. Ob Frauen oder Kinder getötet werden. Ob Häuser, Schulen oder Krankenhäuser zerstört werden: „Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen“, heißt es.

Auch die Medien haben es geschafft, diese Botschaft zu vermitteln, ohne die palästinensische Perspektive bisher angemessen zu berücksichtigen. Es wurde kaum ein Unterschied zwischen den Palästinenser*innen und der Hamas gemacht, was impliziert, dass die Palästinenser*innen – auch in Deutschland – als Hamas-Anhänger*innen betrachtet werden. Dies scheint den medialen und politischen Diskurs zu rechtfertigen. Und dieser verstößt offensichtlich gegen die Menschenrechte der Palästinenser*innen.

Palästinensische Perspektive nicht berücksichtigt

Politiker*innen setzen sich auch in Talkshows seit Samstag dafür ein, Israel und sein Verhalten zu verteidigen, und fordern die Vernichtung der Hamas, auch wenn das nicht mit schönen Bildern verbunden sein könne. Das Problem bei diesem Diskurs ist, dass die Menschen in Palästina bisher kollektiv als Hamas-Anhänger*innen, Terrorist*innen und Barbar*innen dargestellt wurden.

Solange dies so bleibt, werden wir in den kommenden Tagen vermehrt auf anti-palästinensischen Rassismus stoßen. Eine Freundin schrieb mir: „Sie haben jetzt das grüne Licht bekommen, um uns alle auszulöschen.“ Sie ist keine Hamas-Anhängerin. Sie verurteilt die Hamas-Angriffe auf Zivilist*innen und ist der Meinung, dass solches Verhalten nichts mit legitimem Widerstand zu tun hat. Dennoch befürchtet sie, dass diese Angriffe dazu führen könnten, dass mehr als 13 Millionen Palästinenser*innen weltweit bestraft werden. Dass sie keine Möglichkeit mehr haben, ihre Haltung zu ihrem eigenen Konflikt zu zeigen, ohne als antisemitisch, terroristisch oder barbarisch bezeichnet zu werden.

Diese Befürchtung scheint nachvollziehbar zu sein. Daher ist es dringend erforderlich, dass Politik und Medien den Unterschied aufzeigen, um zu verhindern, dass Palästinenser*innen kollektiv bestraft werden. Denn dies dient nicht dazu, die Lage zu beruhigen oder Antisemitismus zu bekämpfen, sondern trägt dazu bei, den Konflikt weiter zu eskalieren – auch in Deutschland.

 

 

Für die Berichterstattung zum Krieg in Israel und Palästina haben wir uns entschieden, mehrere Perspektiven in einen Kontext einzuordnen. Aufgrund der komplexen Vorgeschichte und den schnellen Entwicklungen werden wir in den nächsten Wochen also verschiedene Beiträge zu diesem Thema veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung verschiedener Perspektiven und Beobachtungen wollen wir mehr Klarheit schaffen und zeigen, welche Zusammenhänge und Sichtweisen es gibt.

Weitere Beiträge zu diesem Thema findest du hier.

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Schlagwörter:
Ahmad Shihabi
Ahmad Shihabi ist Journalist aus Syrien. Seit 2015 ist Ahmad in Deutschland, arbeitet als freier Journalist für Kohero und berichtet vor allem aus dem Ruhrgebiet. Aktuell arbeitet Ahmad als Reporter bei der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung. Auch ist er Mentor beim NRW-Mentoring-Programm der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

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Klimakrise: Wohlstand, Armut, Migration

Begriffe, die wir alle kennen, ja klar, unser „Wohlstand“, den wir uns hart erarbeitet haben. Natürlich gibt es auch Armut in der Welt, aber meist in den „unterentwickelten“ Ländern, wo oft korrupte Regime regieren. Selbstverständlich gibt es Lobbyverbände, die die Interessen der Industrie vertreten und unsere Arbeitsplätze sichern. Nur so kann uns unser Wohlstand erhalten bleiben. Ist das so? Der „Wohlstand“ existiert nur für einen kleinen Teil der Weltbevölkerung. Begonnen hat alles mit der Kolonialisierung der südamerikanischen Länder und dehnte sich letztlich auf alle Kontinente aus. Das Luxusleben der wenigen gefährdet die Existenz der meisten auf diesem Globus. Zum 27. Mal kommen ca. 190 Staaten aus allen Regionen der Erde in Scharm ElScheich zur UN-Klimakonferenz zusammen. Worum geht es? Es geht darum, dass wir unser Leben im Wesentlichen so fortführen können, wie wir es gewohnt sind, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Wir versprechen den Ländern Ausgleichszahlungen und dass wir unsere erneuerbaren Energien schnell ausbauen, gleichzeitig kündigt Olaf Scholz dem Präsidenten vom Senegal eine enge Zusammenarbeit bei der Gasförderung an. Wie passt das zusammen? Gar nicht! Hier stecken wieder Lobbyinteressen dahinter. Ach ja, wir müssen unseren „Wohlstand“ erhalten. Dieses Denken ist eines aus dem 20. Jahrhundert und hat in diesem Jahrhundert ausgedient. Wir können nicht weiter die Länder des globalen Südens ausbeuten, um unser Leben so weiterzuleben wie bisher. Die Probleme sind alle bekannt und die Technologien, mit denen wir sie lösen können, ebenfalls. Die Klimaziele von Paris sind nicht mehr zu erreichen, denn dafür hätte es in allen Industriestaaten der Welt mehr Tempo bei der Transformation von den Fossilen zu den erneuerbaren Energien bedurft. Eine neue Sinnhaftigkeit So weit der etwas längere Vorspann! All diese Dinge, die ich in diesem Vorspann beschrieben habe, führen zu Armut und Migration in großen Teilen unserer Welt. Kein Mensch verlässt seine Heimat

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Afghanistan im September

Afghanische Geflüchtete Die pakistanische Anti-Terror-Abteilung und die Geheimdienste führten eine Operation durch, bei der rund 800 afghanische Geflüchtete festgenommen wurden. 375 von ihnen blieben in Haft, während die anderen Aufenthaltspapiere vorlegen konnten und freigelassen wurden. Türkische Sicherheitskräfte haben 18 afghanische Geflüchtete, darunter fünf Frauen, sechs Männer und sieben Kinder, festgenommen. Einschränkungen in der Medienarbeit Anlässlich des Internationalen Tages für den allgemeinen Zugang zu Informationen hat die AFJC Afghanistan Journalists Center am 28. September eine Erklärung veröffentlicht: Afghanistan hat in den letzten zwei Jahren schwere Einschränkungen der Medienarbeit erlebt. Die Taliban haben 13 Richtlinien erlassen, die die Freiheit der Medien und den Zugang zu Informationen einschränken. Das hat die Medien sowohl qualitativ als auch quantitativ zu Einschränkungen und Selbstzensur veranlasst. Die Direktive umfasst Folgendes: Verbot für Frauen, im nationalen Radio und Fernsehen zu arbeiten. Verbot der Medienberichterstattung über Bürgerproteste und Demonstrationen. Beschränkung des Zugangs zu Informationen und der Verbreitung von Nachrichten und Berichten. Zwang für Journalist*innen und Medien, die Taliban als die Regierung Afghanistans darzustellen. Verbot der Veröffentlichung von Musik in den Medien. Verbot für Frauen, an Theaterproduktionen und Unterhaltungsprogrammen teilzunehmen. Trennung der Rollen und der Präsenz von Frauen und Männern in den Medien. Verweigerung von Interviews zwischen Frauen und Männern.     In der Erklärung wird weiter ausgeführt, dass diese Richtlinien auch Folgendes beinhalten: Einschränkung von Interviews mit Andersdenkenden und Kritikern der Taliban. Verbot der Ausstrahlung von internationalen Fernsehprogrammen in Afghanistan. Beschränkung der Veröffentlichung kommerzieller Werbung mit politischen, sicherheitspolitischen und sozialen Inhalten. Förderung der Selbstzensur der Medien bei Kritik an Taliban-Funktionären. Verbot von Filmaufnahmen und Videointerviews. Verbot der Ausstrahlung von Frauenstimmen in den Medien. Verweigerung der Zusammenarbeit mit Medien, die von außerhalb des Landes aus operieren. Festnahme von Frauenrechtsaktivistinnen UNAMA in Afghanistan gab eine Erklärung ab, in der sie auf die jüngste Festnahme von zwei Frauenrechtsaktivistinnen in Kabul hinwies. An

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Erkenntnisse aus dem Lagebericht zu Rassismus in Deutschland

Erstmals ist ein Lagebericht zu Rassismus in Deutschland erschienen. Verantwortliche ist die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Frau Alabali-Radovan. Der Lagebericht trägt den Titel: „Rassismus in Deutschland: Ausgangslage, Handlungsfelder, Maßnahmen“. Erscheinungsdatum ist der 11. Januar 2023, womit die Veröffentlichung auf eine Zeit fällt, in der es sich beinahe erübrigt, auf die gesamtgesellschaftlichen Sorgen hinzuweisen – den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine, die Post-Corona-Zeit, die Inflation und die Energiekrise. Doch gerade in Krisenzeiten müssen Betroffene von Rassismus und Diskriminierung besonders geschützt werden. Ob das der Fall ist, versucht der Lagebericht mit Hilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Daten zu Rassismusvorkommnissen und der Darstellung von Gegenmaßnahmen zu beantworten. Analyse verschiedener gesellschaftlicher Handlungsfelder Ausgangslage ist, dass Rassismus in Deutschland allgegenwärtig ist. Laut Umfragen erkennen 90% der Bevölkerung an, dass Rassismus ein Problem in Deutschland ist, und etwa zwei Drittel haben ihn selbst bereits direkt oder indirekt erfahren. Die Erscheinungsformen von Rassismus in Deutschland sind divers: es gibt Anti-Schwarzen Rassismus, Antimuslimischen Rassismus, Antiziganismus und Antiasiatischen Rassismus. Zudem existiert Antisemitismus, der als eigenes Phänomen mit Schnittmengen zum Rassismus gilt. Neben dieser Kategorisierung der Arten von Rassismus nimmt der Lagebericht eine Analyse diverser gesellschaftlicher Handlungsfeldern vor. Es handelt sich dabei um die Bereiche Polizei, Schule, Hochschule, Ausbildung und Arbeitsmarkt, öffentliche Verwaltung, Gesundheit, Politik, Wohnungsmarkt und Sport. Der Lagebericht zeigt zunächst die existierenden Rassismusprobleme in den Handlungsbereichen auf. Sodann beschreibt er die bereits ergriffenen Gegenmaßnahmen und präsentiert weitere Lösungsansätze für eine positive Fortentwicklung. Zunächst werden die Missstände im Bereich der Polizei hervorgehoben. Immer wieder berichten Menschen von Rassismus im Polizeialltag. Besonders problematisch ist die Praxis des sogenannten Racial Profiling, bei der die Polizei aufgrund rassistischer Klassifikationen gegen Betroffene einschreitet. Diese Vorgehensweise ist in Deutschland rechtswidrig und verboten. Dennoch gibt es reichlich Anhaltspunkte dafür, dass Racial Profiling in deutschen Polizeibehörden stattfindet – das befand sogar die Europäische Kommission im Rahmen einer

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Kategorie & Format
Ahmad Shihabi
Ahmad Shihabi ist Journalist aus Syrien. Seit 2015 ist Ahmad in Deutschland, arbeitet als freier Journalist für Kohero und berichtet vor allem aus dem Ruhrgebiet. Aktuell arbeitet Ahmad als Reporter bei der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung. Auch ist er Mentor beim NRW-Mentoring-Programm der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

Eine Antwort

  1. Eine weithin übersehene Kriegsursache ist eine „Kultur der Gewalt“, die bereits in den Familien existiert (Gewalt in der Kindererziehung, häusliche Gewalt gegen Frauen). Der österreichische Friedensforscher Franz Jedlicka analysiert dazu laufend internationale Statistiken, und Nancy Hartevelt-Kobrin hat speziell über palästinensische Familien ein Buch geschrieben (The banality of suicide terrorism).

    LG Doris

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