Bereits in ihrer frühen Kindheit begleitete Kunst Alzahraa, die ihre Kreativität durch Bastelarbeiten, Malerei und Kritzeln auslebte. Die 28-jährige Syrerin lebt jetzt in Deutschland und steht erneut vor der Frage, ob sie jemals von ihrer Kunst leben könne. In diesem Porträt erzählt Alzahraa Yaseen von ihrem Doppelleben.
Alzahraa wurde in Latakia, einer Stadt am Mittelmeer, geboren. Sie absolvierte ein Studium in Erziehungswissenschaften und engagierte sich in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten. Zusätzlich zu ihrer Kunst arbeitete sie in einer humanitären Organisation und übernahm vielfältige Aufgaben, von der Betreuung von Menschen bis zur Organisation von Aktivitäten und Aufklärungsarbeit.
„Solange ich mich erinnern kann, sobald ich Schere und Papier verwenden konnte, habe ich kreativ gearbeitet. Es begann mit Bastelarbeiten und führte schließlich dazu, dass ich den Pinsel zur Hand nahm.“ Das Malen war stets ihre Leidenschaft, doch der Kriegsausbruch zwang sie vorübergehend dazu, etwas „Sinnvolleres“ zu studieren, insbesondere als die Situation in ihrem Wohnort eskalierte und sie umziehen musste. „Während dieser Zeit habe ich mich von der Kunst ferngehalten, ohne zu wissen, dass sie in mir weiterlebte.“ Ihr erstes Gemälde, ein Selbstporträt in Öl, entstand im Jahr 2021. Von da an begannen die Menschen, nach weiteren Gemälden zu fragen, und sie schaffte es, ihre Werke in verschiedenen Bundesländern Syriens zu verkaufen.
Von Kram zu Kunst
Nach ihrer Rückkehr in ihr zerstörtes Haus einige Jahre später erkannte sie den Wert von Materialien wie Glas, Holz und Stoff und deren ästhetische Bedeutung. Sie verwandelte „Kram“ in ästhetische Kunstwerke und fand in dieser kreativen Arbeit eine neue Passion.
In Deutschland konnte sie dieses Konzept nicht in derselben Weise umsetzen, da es nicht so in der Kultur verankert ist. „Ich weiß nicht, woran es liegt, aber die Menschen hier können ein ganzes Haus verlassen, ohne etwas mitzunehmen. Diese Dinge bedeuten ihnen nicht viel. Ich habe versucht, aus dem hiesigen ‚Kram‘ etwas Verwendbares zu machen, aber es gelang mir nicht. Ich glaube, die Dinge hier sind oft für den Einmalgebrauch gemacht.“
Seit dem Frühjahr 2022 lebt Alzahraa in Deutschland, genauer gesagt in Nordrhein-Westfalen. Neben ihrer Teilzeitarbeit in einem Café hat sie bereits den B1-Sprachkurs und den Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen. Hier konnte sie ihre Kunst dank hochwertiger Materialien besser fortsetzen. Allerdings hat sie in der deutschen Gesellschaft noch keine Anerkennung gefunden. „Ich habe bemerkt, dass die Ausdrucksform hier eine andere ist. Dies liegt vielleicht auch an der Kultur, aber diese Art der Kunst wurde in unserer Heimat mehr geschätzt.“
In den anderthalb Jahren, die sie in Deutschland verbracht hat, hat Alzahraa viel erlebt. Anfangs fühlte sie sich einsam, da sie sich noch nicht vollständig integrieren konnte. „Seitdem ich hier bin, führe ich ein Doppelleben. Glücklicherweise kann ich meine Gefühle gut durch Kunst ausdrücken, sonst wäre die Situation schwieriger für mich. Hier habe ich gelernt, meine Gefühle für mich zu behalten und draußen bin ich eher pragmatisch. Das hat funktioniert.“
Außerhalb des Rahmens
Aus der Einsamkeit, die sie empfand, entstanden Gemälde wie „Außerhalb des Rahmens“. „Wenn ich solch intensive Gefühle habe, möchte ich immer etwas damit erschaffen und sie durch meine Kunst verarbeiten. Ich glaube, das ist auch das, was ich mit meiner Kunst erreichen möchte. In diesem Fall sind es die Einsamkeit von Migranten und ihr Leid, das ich besser ausdrücken möchte.“
Alzahraa möchte nicht auf Dauer dieses Doppelleben weiterführen. Sie hat das Ziel, auch in Deutschland Anerkennung zu finden. „Ich überlege derzeit meine Optionen. Ich muss sehen, ob ich wertvolles Geld für meine Gemälde verdienen kann, ansonsten wird die Kunst mein Hobby bleiben.“ Ihre zukünftigen Pläne beinhalten die Gründung ihrer eigenen Marke und das Erlernen des Designs von Kleidung, um kulturell passende Kleidung zu entwerfen.
Bildquellen
- 382251297_189046414211994_3067447799218465086_n: Alzahraa Yaseen