Die neunte Bombe

"Die neunte Bombe" und "Züchtigung" sind Gedichte des syrischen Autors Abdul Karim Al-Ahmad.

Eine Explosion
Fotograf*in: Jeff Kingma auf unsplash

Die neunte Bombe

 Und einfach so, ohne Vorwarnung

Wird die neunte Bombe explodieren

In dieser nichtsahnenden Straße

Sie wird aus extremer Depression explodieren

Als möglichen Grund oder einzigen Grund

Und die Wolken nahe diesem Vorfall

Werden sich verwandeln

In kalte Körperteile

Und die Träume, die um vier Uhr morgens aufwachen, werden sterben

Und die Saiten der vom Wind gespielten Geige werden zertrennt werden

Passanten werden sich in die Hosen pissen

Und die Nachfrage nach Blut speziell seltener Gruppen wird steigen

Quadratische Gleichungen werden sich ändern

Wenn die Geschwindigkeit der Flucht vor dem Tod

In Hertz gemessen wird

Bäume werden flach auf dem Boden liegen

Und sich nie wieder aufrichten

Der Sicherheitsrat wird eine Sitzung von Denunziation und Verurteilung abhalten

Oder vielleicht auch nicht

Und irgendein Gott wird eine Trauerzeit anordnen

Für drei Tage

Die CO2-atmende Bombe wird explodieren

So gut sie nur kann

In einem Moment des Wahnsinns den Zünder drücken

Der mit der Ladung TNT verbunden ist

Eine Gehirnerschütterung ist so ähnlich

Sie wird explodieren mit ihren vier größten Arterien

Mit ihren Stimmbändern

Sie wird auf eine Weise explodieren, die voller Kunst und voller Tod ist

Wie das Schicksal

Sich selbst zerstörend in einem letzten Sonnenuntergang

 

 

 

Züchtigung

Wir wurden von Vätern geschlagen

Die Stöcke zur Erziehung

Und Gewalt zur Einschüchterung benutzten

Und von den neuen Ausbildern

In Klassen in denen wir lernten

Von den Lehren der Nationalhymne

Und dass der Gott der Gnade

Verse der Vergebung verfasst hat

Und dass Füchse listige Jungtiere gebären

Und Hundesöhne die wahren Bewohner der Hölle sind

Und Inder Kühe anbeten

Während wir sie zum Schlachthof treiben

Und Amerika, die Allmächtige

Diejenige ist, die Kriege beginnt

Und jede böse Person George Bush ist

Wir wurden auf diesen Füßen geschlagen, die in den Abgrund gezerrt wurden

In Nächten

In denen Wolken eine Schweigeminute halten

In Nächten, in denen Revolutionen scheitern

In Nächten, in denen Steine en mass aus den Anden migrieren

Wir wurden geschlagen

Als Kameraden eine kommunistische Statue in Mariupol abrissen

Als unsere Träume Folterkammern überdauerten

Als wir die Falten von Flüssen mit Alzheimer abschälten

Wie wurden geschlagen

Wir, die wir aus der dritten Welt kommen

Wir sind es, die an Dinge glauben, die die Götter unglücklich machen

Wir sind es, die Symphonien auf Streichholzschachteln spielen

Kinder der Kneipen, in denen weise Fliegen sich betrinken

Kinder der Zelte, die unsere Lebensgeschichte begleiten

Kinder der Frauen, denen Abtreibung verweigert wird

Kinder der Straßen, auf denen Hunde an Herzversagen sterben

Wie wurden geschlagen in der Gegenwart von Sternen die Mücken fressen

Manchmal

Mit Gas das Tränen fließen lässt

Und manchmal mit Wellen die Billiard auf dem Rücken des Mittelmeeres spielen

Und jeder Anlass war angemessen.

Bildquellen

Schlagwörter:
Abdul Karim Al-Ahmad ist ein Autor aus Syrien, der derzeit in Deutschland lebt. Er schreibt Gedichte, Geschichten und soziale Blogs. Einige davon hat er in arabischen und internationalen Literaturzeitschriften und Websites veröffentlicht. Seine Gedichte wurden ins Deutsche, Niederländische, Englische, Italienische und Französische übersetzt. Abdul gewann außerdem den Ossi di Seppia International Poetry Award in Italien als bester ausländischer Autor in der Kategorie Lyrik. Abdul Karim Al-Ahmad is an author from Syria who currently resides in Germany. He writes poetry, stories and social blogs. He published a number of them in Arab and international literary magazines and websites. His poems were traslatetd to German, Dutch, English, Italian and Frenc. Abdul further won the Ossi di Seppia International Poetry Award in Italy as the best foreign author in the category of poetry.

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©Jennifer Grube, Fotostudio Augenblick, in Haltern am See

„Schau mich an“ – die Geschichte einer Flucht aus dem Iran

Hier die Geschichte von Sabrieh, 36 Jahre, aus dem Iran: „Vor meiner Hochzeit habe ich als Friseurin und Näherin gearbeitet. Mit der Nähmaschine habe ich kunstvolle Stickereien angefertigt. Wir sind Kurden. Schon mein Großvater ist in den Irak geflohen. Doch als Saddam Hussein an die Macht kam, wurden die Kurden im Irak massiv verfolgt und wir flohen zurück in den Iran. Doch auch dort will man uns nicht akzeptieren. Deshalb bekommen wir keinen Ausweis. Aber ohne Dokumente bekommt man keine Arbeit, die Kinder dürfen nicht in die Schule gehen. Man gehört nicht zur Gesellschaft. Im Iran ging es uns nicht gut, und auch im Irak sind wir nicht zuhause. Mit meinem Ehemann und unseren Kindern, meinem Bruder und dem Kind meiner Schwester sind wir nach Europa aufgebrochen – für die Zukunft unserer Kinder. Unsere Söhne sind fünf und zehn Jahre alt. Von der iranischen Grenze sind wir illegal in die Türkei gegangen. Zwei Nächte waren wir in den iranisch-türkischen Bergen unterwegs. Wir hatten keine Decken und mussten auf der nackten Erde schlafen. Neun Stunden dauerte es, bis wir zu Fuß die Grenze erreichten. Es hat geschneit und es war stürmisch. Es gab Schneeverwehungen. Fast wäre eines der Kinder erfroren. In Izmir haben wir drei Tage und Nächte in einem Garten verbracht. Auch hier hatten wir keine Decken oder Verpflegung. Am schlimmsten war es aber im ägäischen Meer. 48 Menschen waren auf dem kleinen Boot, ohne Schwimmwesten. Wir wussten nicht, in welche Richtung wir das Boot lenken mussten. Von Österreich nach Deutschland sind wir mit dem Zug gefahren. In Deutschland wurden wir freundlich empfangen. Seit Dezember 2015 sind wir in Haltern am See. Mit meiner Familie wohne ich einer Flüchtlingsunterkunft. Es gefällt mir gut in Haltern. Die Leute sind nett, die Umgebung und die Natur sind schön. Manchmal gehen wir am

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In Hamburg habe ich schwimmen gelernt

Ar-Raqqa ist eine schöne Stadt am Fluss Euphrat. Die Stadt umgibt eine historische Mauer, sie stammt aus der Zeit des Abbasiden Kalifats. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die wunderschöne Burg Qalʿat Dschaʿbar, sie liegt auf einer Insel in einem Stausee, der durch eine Talsperre am Euphrat entstanden ist. In Aleppo habe ich  Englisch und Literatur studiert und ein pädagogisches Diplom erworben. Ich mag klassische Literatur wie „Homer“ oder englische Klassiker von Charles Dickens. Ich lese auch gerne den Dramatiker Christopher Marlowe, insbesondere seine „The Tragicall History of Dr Faustus“. In Syrien habe ich drei Jahre als Lehrer gearbeitet. Eigentlich wollte ich noch ein Jahr studieren und einen Masterabschluss als Übersetzer machen. Aber es war nicht möglich, da der Krieg in Syrien ausbrach und es in Aleppo gefährlich wurde. Im Krieg habe ich als Übersetzer bei „Ärzte ohne Grenzen“ gearbeitet und war bei IRC (International Rescue Committee) bei „Cash for Work“ als Beobachter tätig. Letztes Wochenende war ich übrigens in Berlin bei der Mitgliederversammlung „Ärzte ohne Grenzen“. Mein Fluchtweg nach Europa lag auf dem Wasser. Wir waren ca. 50 Menschen in einem Motorboot, darunter Kinder. Ich hatte Angst, da ich nicht schwimmen konnte. Als einmal der Motor aussetzte,  dachte ich: hier muss ich sterben. Aber das Boot hielt durch. Danach ging es über Land: Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn… In Ungarn habe ich meinen Flucht-Kameraden aus der Augen verloren. Später hat er sich aus Bayern gemeldet. Am 2. Juli 2015 erreichte ich Hamburg. Ich habe dann in Hamburg schwimmen gelernt. Im August mache ich noch einen Kraultechnik-Kurs. Letzte Woche habe ich meine Unterlagen für das Anerkennungsverfahren aus Syrien bekommen. Vielleicht mache ich später ein Studium im Bereich Sprachwissenschaft und Literatur. Mein Traum ist es, ganz Deutschland zu bereisen und ein Tagebuch über diese Reise zu führen. Vielleicht wird später ein Buch daraus?

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Das Gespräch mit Pshtiwan Qadir wurde am 4. September 2020 mit Almut Scheller Mahmoud  in schreibtandem geführt.

Interview mit Pshtiwan Qadir: Sei menschlich und gewissenhaft

Pshtiwan, wo und wann bist Du geboren?   Im Dezember in Sulemanyia im kurdischen Teil des Irak. Was ist Dein Schulabschluss?   Ich habe das Abitur, habe aber nicht studiert. Sondern ich wollte arbeiten und Geld verdienen.   Was hast Du gearbeitet?   Ich habe als Volontär in einer Zeitungsredaktion („ Hawbir“)  gearbeitet und schließlich ein eigenes Magazin herausgegeben: „Sahir“ (wörtliche Bedeutung „Schlaflosigkeit“) als Hommage an den arabischen Sänger und Komponisten Kadim Al Sahir. Das Hauptthema war  Kunst. Dann habe ich mit Freunden das Magazin „Honya“ gemacht, das die Themen Politik, Gesellschaft und Kunst behandelte.  Später habe ich in der Buchhaltung in zwei großen Firmen gearbeitet.   Wann hast du den Irak verlassen?   Ich bin 2016 in die Türkei geflüchtet. Von Istanbul aus mit dem Schiff, das eigentlich nach Italien fahren sollte, aber kaputt ging. So bin ich in Athen gelandet. Von dort ohne Schlepper zu Fuß, manchmal per Autostop oder auch mit dem Zug nach Deutschland.   Warum bist Du geflüchtet?    Ich fühlte mich gefangen Durch einen Artikel, in dem ich die Korruption der Regierung  anprangerte, wurde ich verhaftet und war drei Wochen im Gefängnis.  Außerdem fühlte ich mich „gefangen“. Eine Umsiedlung in eine andere Stadt und die Anmietung einer Wohnung war nur möglich, wenn man  eine Ehefrau hatte.   Wo möchtest Du leben?   Überall dort, wo Frieden und Freiheit herrschen und wo man zufrieden und in Sicherheit leben kann.  Was ist für Dich das vollkommene irdische Glück?   Wenn es keine Kriege mehr gibt und keine Menschen mehr verhungern oder fliehen müssen, wenn es keine Folter mehr gibt und alle Menschen in ihrem Heimatland ein friedliches Leben ohne Ungerechtigkeiten führen können. Wenn alle Menschen gleich sind.  (Charta der Menschenrechte).  Was ist für Dich das größte Unglück?   Krieg, Rassismus und Unfreiheit Jedes Mal, wenn ein Krieg ausbricht, sterben unschuldige Menschen: Kinder, Frauen und Männer.   Welche Fehler

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Abdul Karim Al-Ahmad ist ein Autor aus Syrien, der derzeit in Deutschland lebt. Er schreibt Gedichte, Geschichten und soziale Blogs. Einige davon hat er in arabischen und internationalen Literaturzeitschriften und Websites veröffentlicht. Seine Gedichte wurden ins Deutsche, Niederländische, Englische, Italienische und Französische übersetzt. Abdul gewann außerdem den Ossi di Seppia International Poetry Award in Italien als bester ausländischer Autor in der Kategorie Lyrik. Abdul Karim Al-Ahmad is an author from Syria who currently resides in Germany. He writes poetry, stories and social blogs. He published a number of them in Arab and international literary magazines and websites. His poems were traslatetd to German, Dutch, English, Italian and Frenc. Abdul further won the Ossi di Seppia International Poetry Award in Italy as the best foreign author in the category of poetry.

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