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Parteien der Mitte fischen am rechten Rand

Bei Protesten gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft in Upahl letzte Woche kam es zu Auschreitungen durch gewaltbereite Rechte. Doch weniger die Gefahr durch Rechtsextreme wird von den Parteien der Mitte thematisiert, sondern viel mehr Integration und Abschiebung. Sarah Zaheer fragt, wer politsche Verantwortung übernimmt – und wer fischen geht.

Fisch am Angelhaken
Fotograf*in: Mael Balland on unsplash

Parteien und Politiker*innen der vermeintlich politischen Mitte machen Stigmatisierung gegenüber Geflüchteten salonfähig. Sie sind mitverantwortlich, wenn Rechtsextreme vor Wohnunterkünften eskalieren und Gewalt gegenüber Menschen, die Zuflucht suchen, ausartet. 700 Menschen versammelten sich vergangene Woche in Mecklenburg-Vorpommern, um gegen die geplante Unterbringung von Geflüchteten in Upahl zu protestieren. Unter ihnen waren bekannte Rechtsextremist*innen, Neonazis und Gewaltbereite. Sie warfen Pyrotechnik und versuchten sogar, in das Kreistagsgebäude in Grevesmühlen einzudringen.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass es zu solchen Ausschreitungen kommt – und es wird wohl nicht das letzte Mal sein. Vandalismus, Brandanschläge und Gewalt gegen Geflüchtete und ihre Wohnanlagen sind alltäglich. Im Durchschnitt werden in Deutschland zwei Asylbewerber*innen pro Tag attackiert. Dies geht aus einer Anfrage der Linksfraktion vom letzten Jahr hervor. Die Behörden verzeichneten in der ersten Hälfte von 2022 insgesamt 424 Straftaten.

Rechtsradikales Gewaltpotenzial

Das sind zwar insgesamt weniger als im Jahr zuvor, doch die Anzahl der Opfer ist deutlich höher. 86 Menschen, darunter drei Kinder, wurden bei Angriffen verletzt, 2021 waren es 62. Rechtsradikale Täter*innen zeigen also ein höheres Gewaltpotenzial. Doch diese Gefahr von rechts wird nicht klar benannt oder verfolgt. Stattdessen schmeißen Politiker*innen der Union oder FDP immer wieder dieselbe Leier an: Migration wird mit fehlender Integration verbunden, Flucht direkt mit Abschiebung.

Das ist bei der Debatte um die Ausschreitungen an Silvester in Berlin passiert. Und das passiert auch bei dem absurden Vorschlag des FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr. Er gab der BILD-Zeitung ein Interview, in dem er in Bezug auf Abschiebungen sagte: »Um Druck auf die Herkunftsländer auszuüben, könnten wir Rücknahmen zum Beispiel an Geld für den Klimaschutz koppeln. Wer seine Landsleute zurücknimmt, erhält im Gegenzug Unterstützung etwa bei der Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen für Autos in Deutschland.«

Ein führender Politiker einer Regierungspartei schlägt also vor, Menschen gegen Dienstleistungen einzutauschen. Dienstleistungen, die auch noch der deutschen Automobilbranche zugutekommen sollen. Durch Abschiebungen in Länder wie Pakistan, die selbst mit am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und Anrecht auf Hilfsgelder für Klimaschutz von Deutschland haben.

Solche Vorstöße sind entmenschlichend. Und sie führen dazu, dass sich Bilder von vermeintlich gefährlichen, straffälligen Asylbewerbern verfestigen und schließlich zu echten Feindbildern werden. Außerdem verschieben sie den Diskurs darum, was tatsächlich drängende politische Fragen sind.

Wer übernimmt politische Verantwortung?

In Upahl, wo es zu den Ausschreitungen kam, sollen 400 Geflüchtete in Containern untergebracht werden. Im Ort selbst leben bisher nur 500 Menschen. Auf Grund des russischen Angriffskrieges werden Unterkünfte für Geflüchtete knapp. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, fordert der verantwortliche Landrat der CDU daher, dass die Bundesregierung illegale Migration stoppen und eine Abschiebe-Offensive starten solle. Das Problem seien angeblich nicht die Ukrainer*innen, sondern Menschen, die über die Balkanroute hierherkämen.

Es ist tatsächlich problematisch, dass 400 Geflüchtete auf diese Weise in Mecklenburg-Vorpommern untergebracht werden müssen. Und zwar nicht, weil Menschen, die aus diversen Gründen ihre Heimatländer verlassen müssen, Anwohnende stören. Sondern, weil die Infrastruktur in ländlichen Gebieten – insbesondere in Ostdeutschland – miserabel ist. Doch wer möchte dafür schon politische Verantwortung übernehmen? Wer schert sich eigentlich um die Belange von Geflüchteten, die in ein Dorf ziehen sollen, in dem sie mit Sicherheit Ausgrenzung, Gewalt und Stigmatisierung erfahren werden? Welche Perspektiven sollen sie haben in einer Gesellschaft, die sowieso nur darauf aus ist, sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden – am besten noch mit wirtschaftlichem Profit?

Ach stimmt, diese Menschen haben ja sowieso nicht die Möglichkeit, zu wählen. Sie haben keine Lobby, ihre Stimmen werden nicht gehört. Dann fischt man eben am rechten Rand, wenn die Umfragewerte sinken.

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