Ein Bekannter eines Freundes hat eine ukrainische Familie unterstützt und wollte einem Mitglied dieser Familie einen Minijob anbieten. Er dachte sich: Wenn man arbeitet, vergisst man die Angst, das Heimweh und die Sorgen, weil sich die Gedanken mit neuen Dingen beschäftigen. Aber als der Bekannte meines Freundes zur Ausländerbehörde ging und dort sagte, dass er einen Minijob für einen ukrainischen Flüchtling habe, bekam er die Antwort, dass man diesem dann nicht mehr den Sprachkurs bezahlen kann. Entweder, er macht den von der Behörde bezahlten Sprachkurs oder er beginnt den Minijob und bezahlt seinen Sprachkurs selbst.
Wir waren alle überrascht über diese Geschichte und fanden das sehr unlogisch und merkwürdig. Aber leider sind so die Regeln des bürokratischen Systems. Auf jeden Fall war auch der Bekannte überrascht und konnte, wie wir alle, das Argument dahinter nicht verstehen. Er war verärgert und enttäuscht.
Diesen Ärger und diese Enttäuschung erleben viele Ehrenamtliche, die den Geflüchteten 2015 geholfen haben und jetzt den Geflüchteten aus der Ukraine helfen. Denn sie müssen sich mit oft sehr komplizierten bürokratischen Regeln und Strukturen beschäftigen, besonders bei der Ausländerbehörde und beim Jobcenter, wo sie sich mit zusätzlichen politischen Hindernissen, oft auch mit Rassismus, Klassismus und anderen Diskriminierungen auseinandersetzen müssen.
Bürokratisches oder politisches Problem?
Meiner Meinung nach ist nicht das bürokratische System das Problem. Es herrscht die Meinung und der Glaube, dass die Mitarbeiter*innen in den Behörden je nach Schicksal und individueller Geschichte entscheiden dürfen, wer arbeiten und wer sich beruflich weiterbilden darf, wie er oder sie in den Arbeitsmarkt integriert wird, welchen Aufenthaltsstatus er oder sie bekommt. Aber das ist leider nur in der Theorie so, in der Praxis erleben wir etwas anderes, weil manchmal die politischen Entscheidungen großen Einfluss auf die Entscheidungen vor Ort haben. Die Mitarbeiter*innen sollen pauschal, nicht nach Einzelfall entscheiden. Manchmal haben auch Vorurteile Einfluss auf eine Entscheidung.
Subsidiärer Schutz für Geflüchtete
Wie viele andere Syrer*innen habe ich subsidiären Schutz erhalten. Das war eine politische Entscheidung: Ab dem 1.3.2016 sollten alle Geflüchtete aus Syrien diesen Schutz erhalten. Subsidiären Schutz erhält man laut § 4 I AsylG (sogenannter Internationaler Schutz), wenn im Heimatland ein ernsthafter Schaden droht, der nicht persönlich begründet ist und die Person den Schutz der Regierung des Heimatlandes nicht in Anspruch nehmen kann, wenn Todesstrafe oder Folter drohen und aufgrund von Krieg oder Bürgerkrieg Lebensgefahr für Zivilisten in weiten Teilen des Landes besteht.
Weil ich diesen subsidiären Schutz bekommen habe, brauche ich aber auch meinen syrischen Pass. Als dieser 2021 abgelaufen ist, bin ich zur Ausländerbehörde gegangen, um einen Ersatzpass zu beantragen. In der Regel muss ich beweisen, dass es für mich unzumutbar ist, zur syrischen Botschaft zu gehen. Wie aber diese Unzumutbarkeit definiert wird, entscheiden die Mitarbeiter*innen und die Leitung der Ausländerbehörde.
Da ich als Journalist arbeite und alle wissen, dass Journalisten in Syrien gefährdet sind, habe ich einen Ersatzpass erhalten, der aber, was ich nicht erwartet hatte, nur sechs Monate gültig war.
Der Kampf um meinen Ersatzpass
Also ging ich nach sechs Monaten wieder zur Ausländerbehörde, um meinen Ersatzpass zu verlängern. Ich dachte, das wäre eine einfache Sache. Aber weil der Mitarbeiter vielleicht einen schlechten Tag hatte oder aus einem anderen Grund, fragte er mich, warum es für mich unzumutbar sei, zur syrischen Botschaft zu gehen. Ich habe ihm gesagt, dass ich das für meinen ersten Antrag schriftlich begründet habe, und er das dort nachlesen könne. Daraufhin sagte er, er könne das Papier suchen, dafür müsste ich aber zwei Stunden draußen warten, oder ich soll ihm die Gründe jetzt sagen. Also sagte ich ihm, dass ich Journalist bin. Er meinte wiederum, das sei ihm zu ungenau und fragte, warum er allen Syrern einen Ersatzpass geben solle und den Menschen aus Eritrea nicht?
Ich war so wütend und enttäuscht und wenn ich wütend bin, vergesse ich die deutsche Sprache und kann nichts mehr sagen. Zuhause habe ich dann einen Brief an die Behörde geschrieben. Die Antwort lautete wieder, dass ich genaue Gründe angeben muss, warum ich nicht zur syrischen Botschaft gehen kann. Ich fragte mich, warum der Ersatzpass nicht verlängert wird, obwohl ich ihn doch schon einmal bekommen habe. Die Antwort meiner Anwältin war, dass es eine politische Entscheidung ist. Die Ausländerbehörde darf keine Ersatzpässe mehr ausstellen.
Ich fragte sie, wie ich dieses Problem lösen kann? Ich solle jetzt einen individuellen Antrag stellen. Aber die Bearbeitung könne bis zu zwei Jahre dauern. Das bedeutet, dass ich in dieser Zeit nicht ins Ausland reisen kann, nicht nach Dänemark oder in andere europäische Länder. Und das, obwohl ich seit sieben Jahren in Deutschland lebe und arbeite. Weil ich subsidiären Schutz habe und die Politiker*innen mit ihren Entscheidungen das Leben nicht vereinfachen, sondern schwieriger machen.
Mein Wunsch für die Zukunft
Die Innenministerium hat einmal gesagt, dass sie ihre Aufgabe darin verstehen, das Vertrauen an die Behörden wieder aufzubauen. Aber wir können nur wieder in die Behörden vertrauen, wenn diese auf individuelle Geschichten hören und eine Lösung anbieten, ohne Rassismus, Klassismus und Vorurteile. Und was die Politiker*innen machen könnten? Gesetze vereinfachen und eine sinnvolle Anwendung dieser Gesetze festlegen. Das ist nicht nur gut für Geflüchtete, sondern auch für die Behörden.