„Wenn man hier leben muss, kann man sich nicht integrieren“

Der Hamburger Wohnungsmarkt ist hart. Für viele Menschen ist es kaum möglich, eine Wohnung zu finden, die ihren Bedürfnissen entspricht. Unsere Vermutung: Für Geflüchtete ist die Wohnungssuche besonders schwierig. Deshalb haben wir bei Geflüchteten nachgefragt, die schon ein paar Jahre in Deutschland leben. Unsere Interviewreihe "Und wie wohnst du?".

Pshtiwan ist 34 Jahre alt und kommt aus dem Irak (Kurdistan). Heute lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft von "fördern und wohnen" in Eimsbüttel.

Pshtiwan ist 34 Jahre alt und kommt aus dem Irak (Kurdistan). Heute lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft von „fördern und wohnen“ in Eimsbüttel.


Die Anstalt des öffentlichen Rechts fördern und wohnen (f & w) gibt nach eigener Aussage „wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf und hilft ihnen, wieder Fuß zu fassen“. Unter der Trägerschaft der Stadt Hamburg stellt f & w in 107 Unterkünften Wohnraum für insgesamt 34.063 Geflüchtete und Wohnungslose zur Verfügung (Stand: Juli 2020). Einige weitere Standorte fokussieren die Unterbringung von Senior*innen und Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder psychischen Leiden. Das Leistungsspektrum umfasst die Bereitstellung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die entgeltliche Überlassung von Wohnraum, eine medizinische Versorgung, Verpflegung sowie Beratung bei Behördenangelegenheiten.


Kannst du mir etwas über deine aktuelle Wohnung erzählen? Wohnst du alleine oder mit anderen zusammen? Gefällt es dir in deiner Wohnung?

Momentan wohne ich in einem Flüchtlingsheim in Hamburg. Das Heim besteht aus 22 Unterkunftseinheiten, in denen mehr als 500 Personen untergebracht sind. Jedes Haus beinhaltet vier Wohnungen. Pro Wohnung gibt es drei Schlafzimmer, einen Aufenthaltsraum, eine Küche und ein Bad. Ich lebe zusammen mit fünf anderen Menschen in einer Wohnung und teile das Schlafzimmer mit einer weiteren Person. Die Lebensform gefällt mir überhaupt nicht. Es ist unvorstellbar.

Was magst du am meisten an deiner Wohnung?

Die Umgebung gefällt mir sehr. Besonders den Stadtteil finde ich toll.

Was magst du am wenigsten an deiner Wohnung?

Dass zwei Personen in einem Zimmer leben müssen.

Was bedeutet deine Wohnung für dich?

Sie ist für mich nur ein Platz zum Schlafen. Es ist besser, als auf der Straße zu übernachten.

Wie viel kostet deine Wohnung im Monat?

Das Sozialamt zahlt jeden Monat 590 € Miete pro Person. Insgesamt kostet eine Wohnung 3.540 € monatlich.

Wie viel Quadratmeter Wohnfläche hast du zur Verfügung?

Ca. 8 Quadratmeter.

Wie ist der Kontakt zu Mitmenschen im Haus?

Kontakt lässt sich schwierig herstellen, weil wir aus unterschiedlichen Nationen mit verschiedenen Kulturen kommen. 

Wie erlebst du den Kontakt zu Verantwortlichen wie Hauswarten oder Vermieterinnen?

Die Mitarbeiter*innen von „fördern und wohnen“ sind sehr nett zu uns.

Gibt es viele Regeln? Hast du diese alle von Beginn an verstanden?

Die Hausregeln sind überall angehängt und ich halte mich daran.

Wie bist du nach Hamburg gekommen und wie ging es danach weiter?

Ich kam vor 33 Monaten aus dem Irak/Kurdistan. Soweit ich weiß, gibt es in Deutschland ein Flüchtlingsverteilungssystem. Dadurch werden alle Asylsuchenden auf die Bundesländer verteilt.

Hattest du Hilfe von Ehrenamtlichen, z.B. bei der Wohnungssuche?

Man hat mir beim Lernen der deutschen Sprache geholfen. Meine Muttersprache ist Kurdisch, außerdem spreche ich Persisch und Arabisch.

Willst du in den nächsten Jahren in Hamburg bleiben?

Ja, aber ich möchte nicht mehr in einem Flüchtlingsheim leben.

Wie verläuft deine Wohnungssuche in Hamburg?

Ich suche online auf Immobilienseiten. Bei Wohnungsbesichtigungen ist es sehr kompliziert, da es unglaubliche Anforderungen gibt. Jeder verlangt nach etwas, z.B. nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder einer Aufenthaltsgenehmigung.

In Studien ist klar geworden, dass Menschen mit Nachnamen wie Müller, Maier oder Schmidt in Deutschland viel einfacher Wohnungen finden. Was denkst du darüber? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?

Auf jeden Fall, dem stimme ich zu!

Hilft dir deine Wohnung dabei, dich besser in die deutsche Gesellschaft zu integrieren?

Nein, wenn man in einer solchen Unterkunft leben muss, kann man sich nicht integrieren. In der Tagesroutine lernt man die deutsche Sprache nur sehr schlecht. Aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass die Deutschen sich nicht so darüber beschweren würden, dass sich Flüchtlinge nicht weiterentwickeln oder integrieren.

 


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Marius arbeitet als Berater in der Öffentlichkeitsarbeit für verschiedene Kunden. Wenn er nach Feierabend genug vom Redaktionswahnsinn hat, entspannt er am liebsten bei einer tiefenbetonten Dub-Platte. Am Wochenende zieht er sich regelmäßig mit seiner Freundin in Hamburgs Wälder und menschenarme Gegenden. „Ich engagiere mich fürs Magazin, weil ich den Stimmen Geflüchteter mehr gesellschaftliche Beachtung verschaffen will.“

Eine Antwort

  1. Hallo,
    ich beziehe mich auf diesen Artikel: https://www.kohero-magazin.de/wenn-man-hier-leben-muss-kann-man-sich-nicht-integrieren/
    Bzgl. der beruflichen Integration empfehle ich dieses Projekt: https://www.esf-hamburg.de/foerderperiode-2021-2027/projekte/13711870/chancengenerator-berufliche-perspektive-aufbauen-aqtivus/

    Es wäre schön, wenn das Datum dabei ist, so dass man weiß wie aktuell der Artikel ist. 😉

    Freundliche Grüße
    N. Littwin

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